Für die Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf (§ 1004 BGB: “actio quasi-negatoria”) reicht es aus, wenn die Rechtswidrigkeit der Presseäußerung feststeht. Der Anspruch auf Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens ist dagegen vom Nachweis eines Verschuldens des Schädigers abhängig.
Die für die Ersatzpflicht aus Verletzungen des Persönlichkeitsrechts regelmäßig nötige Schuld setzt zweierlei voraus: Die Verschuldensfähigkeit (Teil 3 .I) des Täters und das Vorliegen der in dem konkreten Tatbestand geforderten Verschuldensform (Teil 3 .II), also Vorsatz oder auch Fahrlässigkeit.
I. VERSCHULDENSFÄHIGKEIT
Gemäß der entsprechenden Vorschrift § 276 Abs. 1 Satz 3 BGB finden die §§ 827 und 828 BGB Anwendung. Jedoch wird die Verchuldensfähigkeit zwischen verschuldensunfähigen, beschränkt verschuldensfähigen und verschuldensfähigen Personen unterschieden.
Verschuldensunfähig sind alle Personen vor Vollendung des siebenten Lebensjahres. Wer im Zustand der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt hat, ist ebenfalls nicht verantwortlich. Beschränkt verschuldensfähig sind alle Personen, die das siebente, nicht aber das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben. Das Gesetz macht die Verantwortlichkeit für einen Schaden dabei davon abhängig, ob der Betreffende bei der Begehung der Pflichtverletzung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte. Verschuldensfähig sind alle übrigen Personen.
II. VERSCHULDEN
Außer der Verschuldensfähigkeit ist Verschulden des Täters erforderlich. Es umfaßt regelmäßig Vorsatz (Teil 3 .II.A) und Fahrlässigkeit (Teil 3 .II.B). Da das Deliktsrecht keine Sonderregelung enthält, finden die Regeln des allgemeinen Schuldrechts Anwendung. Jedoch besteht eine Spezialregel für § 823 Abs. 2 BGB: Wenn dort als Schutzgesetz eine Norm des Strafrechts angewendet wird, müssen die subjektiven Voraussetzungen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit erfüllt sein, die strenger sind als diejenigen für die zivilrechtliche.
A. VORSATZ
Der Begriff des Vorsatzes wird vom Gesetz nicht definiert. Die anerkannte und ständige Definition des Vorsatzes ist das Wissen und Wollen des Erfolges und das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Der Handelnde braucht nicht mit “direktem Vorsatz” (dolus directus) tätig geworden zu sein. Vielmehr genügt es, wenn er die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung erkannt hat, trotz dieser Kenntnis zur Tat geschritten ist und dabei den Verletzungsrerfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz oder dolus eventualis).
Der Vorsatz wird festgestellt, wenn der Verfasser die Unwahrheit der verbreiteten verletzenden Behauptung kannte. Das bewußte Hinwegsetzen über die Richtlinien des Deutschen Presserats zur redaktionellen Berichterstattung ist auch als sogar grob schuldhaft zu bewerten.
B. FAHRLÄSSIGKEIT
Unter diesem Begriff versteht das Gesetz die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das bedeutet, daß sich der Schädiger in der konkreten Situation, in der sich befand, nicht so umsichtig, sorgfältig und achtsam verhalten hat, wie das von ihm nach Lage der Umstände zu verlangen war.
Das Gesetz enthält die Definition der Fahrlässigkeit im § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dabei handelt es sich um einen objektiven, typisierten Maßstab. Nach herkömmlicher Lehre wird der Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit im Zivilrecht von einem objektiven Sorgfaltsverstoß begründet. Für diesen Schuldvorwurf kommt es darauf an, daß der Schuldner sich so sorgfältig verhält, wie das jeweilige Schuldverhältnis es zur Vermeidung von Schäden anderer verlangt. Die Fahrlässigkeit im Rahmen der Verletzung der Persönlichkeit ist mehr als die im Verkehr “übliche” Sorgfalt; auch § 6 LPG stellt auf die nach den Umständen “gebotene” Sorgfalt ab. Besonders bei Presseäußerungen wird im allgemeinen davon gesprochen, daß die journalistische Sorgfaltspflicht (Teil 3 .II.B.1) beachtet sein muß. Die Nichtbeachtung hat zur Folge, daß die dann fahrlässige Äußerung nicht zu rechtfertigen ist. § 193 StGB nimmt dem Behauptenden das Risiko der Unwahrheit nur unter der Voraussetzung ab, daß die Sorgfaltsregeln beachtet sind (vgl. Teil 2 .II.B.2). Gleiches gilt für das Risiko der Pflicht zur Güterabwägung (Teil 3 .II.B.1.b). Die Beachtung der Wahrheitspflicht (Teil 3 .II.B.1.a) der Presse hat auch damit entscheidende Bedeutung. Es gibt noch Andere Pflichten (Teil 3 .II.B.2), die im Rahmen der Presse betrachtet werden können. Im Vergleich mit der Sorgfaltspflicht spielen sie aber eine sekundäre Rolle.
1. Sorgfaltspflicht
a. Wahrheitspflicht
Die Wahrheitspflicht ist die zentrale Sorgfaltspflicht der Presse. Mindestens handelt es sich um eine Recherchepflicht: Je größer ein Schaden durch die Berichterstattung für den Betroffenen sein kann, desto höhere Anforderungen bestehen für die Recherche. Die Wahrheitspflicht hat zwei Aspekte: die verantwortungsbewußte Bildung der öffentlichen Meinung und der Schutz der Rechte Dritter. Beide zwingen zu einer differenzierten rechtlichen Beurteilung: Nötig ist stets eine Güterabwägung zwischen der Pressefreiheit und den Rechten Dritter, aus der sich der Sorgfaltsmaßstab im Einzelfall ergibt. Diese Wahrheitspflicht besteht einmal im Allgemeininteresse an sachlich zutreffender Information. Denn nur dann, wenn die Medienrezipienten im Rahmen des Möglichen zutreffend unterrichtet werden, kann sich die öffentliche Meinung zutreffend bilden. Zum anderen schützt sie die Betroffenen davor, Objekt einer unwahren Medienberichterstattung zu werden. Insofern hat die medienrechtliche Wahrheits- und Sorgfaltspflicht den Charakter eines dem Einzelnen verpflichten Schutzgesetzes.
i. Begriff
Die Sorgfaltspflicht der Presse entsteht dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Teil 2 .II.C.3.a). Im Gegensatz zur eigentlichen Äußerung einer Meinung kann es aber für den verfassungsrechtlichen Schutz einer Tatsachenmitteilung auf die Richtigkeit der Mitteilung ankommen.
“Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Die Erfüllung dieser Wahrheitspflicht wird nach gesicherter Rechtsprechung schon um des Ehrenschutzes des Betroffenen willen gefordert […]. Sie ist zugleich in der Bedeutung der öffentlichen Meinungsbildung im Gesamtorganismus einer freiheitlichen Demokratie begründet. Nur dann, wenn der Leser – im Rahmen des Möglichen – zutreffend unterrichtet wird, kann sich die öffentliche Meinung richtig bilden. Die Presse ist daher um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wenn auch diese Prüfungs- und Wahrheitspflicht nicht überspannt werden darf, so ist es doch unzulässig, leichtfertig unwahre Nachrichten weiterzugeben. Erst recht darf die Wahrheit nicht bewußt entstellt werden; dies geschieht auch dann, wenn man wesentliche Sachverhalte, die einem bekannt sind, der Öffentlichkeit unterschlägt.” (BVerfGE 12, 113, 130)
Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht der Rechtslage des Landesrechts. Alle Bundesländer haben den selben Begriff in ihrem Landespressegesetz kodifiziert. Dies statuiert eine spezifische “Sorgfaltspflicht der Presse”, die im wesentlichen in der Pflicht zur Prüfung der Richtigkeit der von ihr verbreiteten Tatsachen besteht.
§ 6 LPG Sorgfaltspflicht der Presse Die Presse hat alle Nachrichten von ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen. Die Verpflichtung, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten oder Druckwerke strafbaren Inhalts nicht zu verbreiten (§ 20 Abs. 2), bleibt unberührt.
Die Wahrheits- und Sorgfaltspflicht ist deshalb nicht nur als berufsetische oder standesrechtliche Apellnorm ausgestaltet, sondern ist zugleich als Rechtspflicht anerkannt. Außer den mittelbaren Konsequenzen des Zivilrechts hat einen Verstoß gegen diesen § 6 LPG keine direkten Folgen. Die Vorschriften der LPG sind allgemeine Gesetze im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG.
ii. Inhalt und Umfang
Bei der Wahrheits- und Sorgfaltspflicht wird nicht nur auf die berufsübliche Sorgfalt abgestellt. Der Ausdruck des § 6 LPG “nach den Umständen gebotene” ist durch § 276 BGB zu verstehen, der vom objektiven Maßstab der im Verkehr “erforderlichen” Sorgfalt ausgeht. Dieser Maßstab ist grundsätzlich streng auszulegen. Die Intensität der gebotenen Sorgfaltspflicht steht insofern in einer Relation zu der Intensität des potentiellen Eingriffs der Berichterstattung in die Rechte Dritter. Mit der Intensität des potentiellen Eingriffs in die Rechte Dritter steigt die Intensität der gebotenen Sorgfalt.
Neben der Intensität des potentiellen Eingriffs in Rechte Dritter hat das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an aktueller Medienberichterstattung Einfluß auf die Intensität der medienrechtlich gebotenen Sorgfalt. Insbesondere bei Angelegenheiten von erheblicher politischer oder gesellschaftlicher Bedeutung kann aus Gründen der Aktualität der Medienberichterstattung die medienrechtliche Sorgfaltspflicht schon bei einem geringeren Überprüfungsgrad als erfüllt angesehen werden.
Die Anforderungen an die Sorgfaltsmaßstäbe hängen davon ab, ob es sich um Nachrichten handelt, die auf Informationen aus seriösen Quellen gestützt werden oder auf selbstrecherchierte Vorgänge und Berichte. Auf Informationen aus anerkannt seriösen Quellen dürfen die Massenmedien ihre Publikationen stützen, ohne den Wahrheitsgehalt der Nachricht selbst nachzurecherchieren.
“Gewiß setzt der Zwang zur Kurze und ‘pressegerechten’ Darstellung der Berichterstattung Grenzen, die […] in der Abwägung mit den Belangen der betroffenen Persönlichkeit nicht unbeachtet bleiben dürfen. Das entbindet die Presse jedoch nicht davon, im Kernpunkt, wo das persönliche Ansehen auf dem Spiel steht, genau und objektiv zu sein. Sollte sich ausnahmsweise solche Genauigkeit wegen der beschränkten Darstellungsmöglichkeit nicht erzielen lassen, muß sie notfalls diesen Bereich aussparen und von einer Berichterstattung ganz absehen. Sie kann der Persönlichkeit nicht zumuten, sich solchen Sachzwängen unterzuordnen, wenn ihr Ansehen ernsthaft gefährdet ist.” (BGH NJW 1979, 1041, 1041)
Die Presse genügt ihre Sorgfaltspflicht dann, wenn sie ihre publizistische Tätigkeit im Hinblick auf Inhalt, Wahrheit und Herkunft der Nachrichten mit den ihr zur Verfügung stehenden Mittel überprüft. Bei der Bemessung dieser Prüfungspflicht muß berücksichtigt werden, daß die Presse nicht über die weitreichenden Möglichkeiten der Wahrheitsfindung verfügt. Deshalb müssen das objektive und ernstliche Bemühen und wahrheitsgemäße Darstellung ausreichen.
Die Wahrheitspflicht enthält nicht nur die Pflicht zur Richtigkeit der Darstellung, sondern auch die Pflicht zur Vollständigkeit und die Pflicht nicht zu übertreiben. In diesem Rahmen besteht die Pflicht zur Vollständigkeit der Berichterstattung insbesondere dann, wenn ein starkes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegeben ist.
Um die Richtigkeit einer Darstellung einzuschätzen ist es weder entscheidend, wie eine Äußerung von ihrem Verfasser oder Verbreiter gemeint war, noch kommt es darauf an, ob sie im konkreten Fall in einem äußerlich als Kommentar oder Nachricht aufgemachten Beitrag enthalten ist. Entscheidend ist demgegenüber, ob der unbefangene durchschnittliche Leser oder Hörer einer Äußerung ihr einen im Wege der Beweiserhebung auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüfbaren Sachverhalt entnimmt.
“Wenn der Bundesgerichtshof es hierfür als maßgebend ansieht, wie der Durchschnittsleser oder -hörer einerseits das vom Kritisierten Geäußerte, andererseits das Zitat versteht, und wenn er auch ein Zitat als ‘richtig’ beurteilt, das einer anderen nach dem bezeichneten Maßstab vertretbaren Bedeutung des Geäußerten folgt, so kann das verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen: Auf diese Weise muß ein breites Spektrum zulässiger Deutungen entstehen, die nicht mehr dem entsprechen, was der Zitierte zum Ausdruck bringen wollte, die auch nach den üblichen Regeln korrekten Zitierens nicht mehr als einwandfreie Wiedergabe des Geäußerten anzusehen sind, die aber dem Leser oder Hörer als Äußerung des Kritisierten unterbreitet werden und damit den Anschein des Wahren und Objektiven erwecken.” (BVerfGE 54, 208, 220 f.)
Wenn die Presse für die für das Zusammenleben geltenden sittlichen Grundsätzen kein Verständnis aufbringt, hat sie nach den getroffenen Feststellungen wenn auch vielleicht nicht vorsätzlich, so doch mindestens grob fahrlässig gehandelt.
b. Pflicht zur Güterabwägung
Der Journalist hat nicht nur zu prüfen, ob seine Darstellung mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Einklang zu bringen, sondern auch, ob sie unter rechtlichen Gesichtspunkten zu vertreten ist. Das gilt insbesondere bei Berichten, die unabhängig vom Wahrheitsgehalt unzulässig sein können, speziell bei Schilderungen aus dem Privat-, Intim- und Geheimbereich, ferner für die Form der Darstellung. Der Sorgfaltspflicht ist nur genügt, wenn der Journalist eine Güterabwägung vollzieht, die bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles dazu führt, daß die schutzwürdigen Belange des Betroffenen hinter dem wahrgenommenen Informationsinteresse zurücktreten.
“Allerdings dürfen solche Anforderungen nicht überspannt, insbesondere nicht so bemessen werden, daß die Funktion der Meinungsfreiheit in Gefahr gerät; dies ist insbesondere dort zu beachten, wo über Angelegenheiten berichtet werden soll, die für die Allgemeinheit von erheblicher Bedeutung sind […]. Demgemäß ist stets unter Würdigung aller Umstände des Falles eine sorgfältige Güterabwägung vorzunehmen, bei der sowohl dem Grundrecht des Äußernden aus Art. 5 Abs. 1 GG als auch der verfassungsrechtlich geschützten Position des von der Äußerung Betroffenen aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG das gebotene Gewicht beizumessen ist.” (BGHZ 132, 13, 24)
Wer also berechtigte Interessen durch einen Eingriff in einen fremden Rechtskreis wahrnehmen will, muß zuvor sorgfältig prüfen, ob der Eingriff zur sachgemäßen Interessenwahrung nach Schwere und Ausmaß erforderlich ist.
Verschiedene Handlungen müssen im Hinblick zum verletzten Interessen geprüft werden. Die Veröffentlichung von schriftlichen, wörtlichen oder bildlichen Darstellungen, die Stärke der Ausdrücke, die Art und die Form der Publikationen müssen im allgemeinen von den Journalisten sorgfältig geprüft werden. Anhand dieser Gegenüberstellung ist zu ermitteln, ob die Informationsinteressen überwiegen und in bezug auf welche Kreise das der Fall ist. Hiervon hängt ab, ob der Journalist sich zur Verbreitung der Darstellung entschließen und ob dies in der Öffentlichkeit geschehen darf. Diese zu vollziehende Güterabwägung setzt eine echte Gewissensanspannung voraus. Fehlt die Gewissensanspannung, ist den an die journalistische Sorgfaltspflicht zu stellenden Anforderungen nicht genügt und eine rechtsverletzende Publikation als zumindest fahrlässig zu bezeichnen.
2. Andere Pflichten
a. Verkehrspflicht
Mit dem Begriff der Fahrlässigkeit wird ein tatsächliches Verhalten (sog. “Ist-Verhalten”), um dessen Haftung es geht, mit einem hypothetischen Verhalten (sog. “Soll-Verhalten”) verglichen. Dieses hypothetische Verhalten ist dasjenige, das ein sorgfältiger Mensch von durchschnittlicher Umsicht und Tüchtigkeit in der gleichen Lage zwecks Vermeidung eines unvernünftig großen Risikos der Schädigung anderer an den Tag gelegt hätte. Dieser Lage entsprechen die Verkehrspflichten.
Die Verkehrspflichten wurden von der Rechtsprechung entwickelt. Der Ausgangspunkt der Überlegung der Richter war, daß derjenige, der eine besondere Gefahrenquelle eröffnet oder unterhält, besondere Vorkehrungen zu treffen hat, damit andere nicht zu Schaden kommen. Die allgemeinen Verkehrspflichten stellen eine generalklauselartige Erweiterung der § 823 Abs. 1 BGB dar und sind heute jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannt.
Die Verkehrspflichten sind jedoch überall dort von Bedeutung, wo es um Gefahrvermeidung oder -abwendung geht, also bei allen Deliktstatbeständen. Infolgedessen wird angenommen, daß es Verkehrspflichten zum Schutz aller Rechte und Rechtsgüter gibt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wäre auch in diesem Begriff enthalten.
Diese Verkehrspflichten gelten nur für die Leute, die eine bestimmte Einflußnahme auf das Blatt haben. Die Handlung eines Verlegers wird normalerweise nicht als schuldhaft betrachtet. Eine Überprüfungspflicht kann nur bejaht werden, wenn der Verleger den Umständen nach mit der nahen Möglichkeit rechnen mußte, daß durch seinen Betrieb eine Druckschrift rechtswidrigen Inhalts verbreitet wird. Die Verkehrspflichten zur Verhinderung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen können z. B. den verantwortlichen Redakteur für Beiträge treffen, die er weder verfaßt noch redigiert hat; bei besonders brisanten Publikationen können Herausgeber und Verleger darüber hinaus verpflichtet sein, einen Sachverständigen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts einzuschalten.
b. Organisationsmängel
Der Geschäftsführer eines Presseorgans muß im Hinblick auf die Schwere der Gefahren, die unzulässige Veröffentlichungen über das Ansehen, den Kredit und die gewerbliche Tätigkeit der von ihnen betroffenen Personen in sich bergen, durch ausreichende organisatorische Maßnahmen dafür sorgen, daß solche Eingriffe in fremde Rechtssphären nach Möglichkeit unterbleiben. Der betreffende Verlag haftet für die rechtswidrige Ehrkränkung, wenn seine Redakteure noch keine lange Berufserfahrung haben und daher besonders nachhaltig überwacht werden müssen und das nicht geschieht. Der Verlag muß wirksame Maßnahmen treffen um zu verhindern, daß wichtige Berichte, die die Rechtssphäre anderer berühren, ungeprüft veröffentlicht werden.
“Denn die Berichterstattung der B-Zeitung entsprach – wie dargelegt – in mehreren Punkten nicht dem jeweiligen Kenntnisstand der Redaktion. Die Beklagte selbst muß sich vorwerfen lassen, daß sie keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine zutreffende Berichterstattung über derart schwerwiegende und einschneidende Vorwürfe wie die Beteiligung an einem Mordanschlag sicherzustellen.” (OLG Düsseldorf NJW 1980, 599, 600)
Die Kontrollpflicht erstreckt sich auf den gesamten Herstellungsprozeß einschließlich der Endredaktion. Der Umstand, daß der verantwortliche Redakteur auch dafür zu sorgen hat, daß bei der technischen Herstellung (Satz und Druck) keine Veränderungen vorgenommen werden, die zu einem strafbaren Inhalt führen, dürfte durch die Umstellung auf die neuen Techniken inzwischen erheblich an Bedeutung verloren haben.